Archive sind Einrichtungen des kulturellen Gedächtnisses – manche mehr, manche weniger…
Und wie viele andere Einrichtungen aus dem Bereich (z.B. Museen, Bibliotheken) chronisch unterfinanziert. Nicht nur, dass es immer mehr zu tun gibt als man leisten kann, auch reicht die finanzielle Ausstattung selten, um kulturelle Artefakte am freien Markt zu erwerben.
Als Sammler stolpere ich ab und zu über interessante (ggf. unikale) Objekte / Dokumente und wenn sie nicht in mein Sammlungsprofil passen, aber relativ günstig zu haben sind, erwerbe ich sie, um sie Archiven oder Museen als Spende anzubieten. Da mir die Demokratisierung der Zugänglichkeit zu Kulturgut ein besonderes Anliegen ist, formuliere ich in Hinblick auf die gespendeten Objekte / Dokumente ein paar Bedingungen (auch auf meiner Homepage einsehbar), die die allgemeine Zugänglichkeit gewährleisten sollen und die ich heutzutage als Selbstverständlichkeiten ansehe:
- Katalogisierung und Nachweis online, auch in überregionalen Portalen (wie Archivportal-D)
- Nennung des Spenders
Auf eine finanzielle Kompensation, sowohl für das Objekt als auch für den Transport zu der bedachten Einrichtung, verzichte ich explizit.
Aber spannenderweise erlebe ich immer wieder, dass dies offenbar selbst für sehr große Einrichtungen im Jahr 2024 noch ein Problem darstellt:
Beispiel
Im konkreten Fall ging es um ein Fotoalbum aus dem Besitz einer Person, deren Nachlass schon durch ein sehr großes militärgeschichtliches Archiv im Breisgau verwahrt wird. Daher war die Überlegung, es diesem anzubieten, naheliegend.
Allerdings wurde zuerst die Nennung des Spenders als “nicht üblich” zurückgewiesen und auf die etwas provokante Frage, ob Provenienz (also Besitzgeschichte) nicht erfasst werden würde, darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Daten nicht nach außen gespielt werden würden.
Was bestenfalls nur halb richtig ist, da das Feld im Online-Recherchesystem durchaus vorhanden ist, aber (für den Nachlass) auch in einer Form genutzt wird die der Semantik von “Autor” in einem Bibliothekskatalog entspricht. Das ist an dieser Stelle nicht falsch, da Autor und Quelle des Materials bei einem Nachlass zum überwiegenden Teil deckungsgleich sein dürften.
Ob das Problem nun von einem unterkomplexen Datenmodell oder von Verzeichnungsrichtlinien verursacht wird, die aus der Vorzeit partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Bürgern stammen, ist dabei unerheblich – das sind alles Dinge, die man weiterentwickeln kann – wenn der Wille dazu da ist! Ich halte es für fragwürdig, die Herkunft standardmäßig nicht über das extern recherchierbare Nachweissystem bereitzustellen, da die Provenienz (als Besitzgeschichte) auch ein wichtiger Aspekt der Quellenkritik ist.
Die Frage, ob mit der Annahme eines Nachlasses auch der Anspruch Ergänzungen zu übernehmen verbunden sein sollte, stelle ich hier nicht.
Gegenbeispiele
Und was die Sache besonders befremdlich macht, ist, dass aus meiner bisherigen Zusammenarbeit mit (Stadt-)Archiven gerade dies eher kein Problem darstellt. Man könnte das nun verallgemeinern: Je kleiner das Archiv ist (und damit in der Regel auch das Budget und personelle Ausstattung und zwar nicht nur absolut, sondern auch relativ), ist die Einrichtung dennoch um so aufgeschlossener für die Erfüllung der genannten Bedingungen wie den Onlinenachweis und sogar die Digitalisierung, die immerhin einiges an (finanziellem) Mehraufwand bedeutet.
Vielleicht ist auch das ein Indiz dafür, dass es in dem Beispiel oben nicht um Ressourcen (wie Arbeitsaufwand) geht. Es ist eher davon auszugehen, dass kommunale bzw. spezialisierte Archive einfach offener für Zugänge aus der Bevölkerung sind, einfach weil ihnen bewusster ist, dass es sich um wertvolle Beiträge / Ergänzungen handelt, auch wenn die Zugangswege nicht immer gradlinig verlaufen.
Und dass die Namensnennung eine einfache wie nachhaltige Form der Anerkennung ist, die es befördert, dass Spenden den eigenen Bestand ergänzen und bereichern.
Sicher kann man dagegen einwenden, dass die Förderung von Spenden geeignet ist, dass eigene Sammlungs- bzw. Überlieferungsprofil zu verwässern. Aber diese Gefahr ist nur real, wenn das eigene Profil entweder nicht scharf genug ist, um auch die Ablehnung einer Spende gut begründen zu können, z.B. weil ein solches gar nicht schriftlich vorliegt.
Ein weiteres Gegenargument mag sein, dass der zusätzliche Aufwand nicht zu leisten sei, aber erstens wird er sicher nicht so groß ausfallen und vielleicht ist es sogar denkbar die Verteilung des Arbeitsaufwandes von der amtlichen zu der nichtamtlichen Überlieferung graduell zu verschieben – die Erstere ist in der Regel geduldiger – und sich so auch ein wenig der “Archiv von unten”-Bewegung zu öffnen.
Sind alle Archive Kulturerbeeinrichtungen?
Am Ende muss Archiven, die sich als Bewahrer von kulturellem Erbe verstehen, klar sein, dass kulturelle Artefakte auch einer wirtschaftlichen Verwertung unterliegen können und dass die Dokumentation dieser Prozesse zu einer quellenkritischen transparenten Objektgeschichte beitragen, inklusive der Information, wie ein Objekt in die Einrichtung gekommen ist. Diese Informationen für die Recherche im Nachweissystem zu verbergen, mag manchmal geboten sein (z.B. zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten / Schutzfristen), sollte aber nicht den Eindruck entstehen lassen, eine pauschale Arbeitsvermeidungsstrategie zu sein.
In diesem Zusammenhang ist auch die Namensnennung von Spendern zu sehen: Bürger investieren Ressourcen (Geld, Zeit) um kulturelles Erbe, das, aus welchem Grund auch immer, den amtlichen Abläufen entzogen ist, um es in die dafür bereitstehende öffentliche Infrastruktur (zurück) zu führen. Natürlich wird die Provenienz dabei (zumindest intern) dokumentiert, wenn Geld geflossen ist oder eine Spendenquittung ausgestellt wurde. Doch gerade, wenn solche Objekte keinen hohen finanziellen Wert haben, sich die Spendenquittung als Gratifikation also nicht aufzwingt, ist die öffentliche Namensnennung doch wenigstens ein Ausdruck von Anerkennung.
Was man z.B. von den Objektbeschriftungen in einem Kunstmuseum kennt, sollte auch für alle recherchierbaren Nachweise von Archivalien selbstverständlich sein.
Sonst könnte man zu der Frage kommen, ob vielleicht nicht alle Archive der Organisationskultur nach Kultureinrichtungen sind, sondern manche einfach das, was nach der Altregistratur gemacht wird?
Was tun?
Zwei Faktoren beeinflussen maßgeblich meinen Impuls, Artefakte an Archive zu spenden: Einerseits die sichere Ver- bzw. Bewahrung und andererseits die Erschließung. Selbst wenn die Erschließung zeitlich nicht unmittelbar erfolgt, würde ich nicht sagen, dass sie deshalb nachrangig zu betrachten ist. Eine sinnvolle Richtlinie / Policy sollte schon beim Objekteingang existieren.
In Zeiten von digitalen Recherchemöglichkeiten, Metadaten-Aggregatoren und Portalen ist es nicht mehr so wichtig, dass Bestände zentral vorgehalten werden: Hauptsache sie sind recherchierbar.
Wenn also kleinere Institutionen bereit sind, einen Nachweis mit Namensnennung in ihrem System bereitzustellen, werden die Daten irgendwann auch in übergeordneten Systemen recherchierbar sein.
Daher: Fördern sie lokale / kommunale Archive mit ihren Spenden!
@Archive: Fördern Sie Bürgerbeteiligung indem Sie sich für ein Mindestmaß an Anerkennungsbereitschaft durch transparente Dokumentation der Provenienz öffnen.